Montag, 11. Juni 2012

Rot ist die Frucht

Zwischen den Obstbäumen und Sträucherlandschaften der Schrebergartenkolonien begegnet man derzeit öfter Amseln und Drosseln auf der Jagd nach dem Blut der Kirsche und manchmal auch Paul Zechs "Erdbeermund"...

reife und unreife Frucht

So schön der Anblick auch ist, einen Kuss darf man nicht sofort erwarten. Doch die ein oder andere reife Frucht landet dann doch schon im Körbchen und wird mit Sahne, Milch oder Joghurt verspeist werden...

Erdbeeren unter sich

Und im Gegensatz zu den Supermarkterdbeeren, die auf riesigen Feldern zu einer homogenen Masse heranwachsen und von zumeist osteuropäischen Sammlern für einen geringen Lohn gepflückt werden, ist für die selbstgepflückte Erdbeere keine Mindestgröße von 18mm die Vorausetzung zur Verspeisung. Dies legt jedoch eine EU-Vermarktungsnorm fest, die wiederum die Früchte in drei Klassen (Extra, I und II) einteilt.
Und das im Supermarkt ein spezielles Licht eingesetzt wird, um Obst und Gemüse frischer aussehen zu lassen, ist keine weltbewegende Neuheit. Aber, wenn man die Frucht isoliert, also unabhängig von ihrer Umgebung in den Fokus setzt, entsteht schon ein merkwürdig Bild. Noch ist etwas Erde an der Frucht, die auf ihren Ursprung hinweist, aber die Erdbeere bekommt ein unterkühltes, beinahe künstliches Gesicht und wird zum ästhetischen Ideal...

die Erdbeere an sich

Ähnlich verhält es sich mit der anderen Signalfrucht dieser Wochen, der Kirsche.
Ledigliche die Paarbildung gibt den Rückschluss auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Früchten und weicht somit ein wenig vom Idealbild ab...

ein Paar Kirschen

Und dennoch fällt jede dieser Früchte vom natürlichen Ursprung und ihrer Wildheit ab und geht in ihrer jetztigen Form zurück auf den Einfluss des Menschen. Denn erst die Züchtungen, Veredelungen und Kreuzungen haben Früchte dieser Größe und die verschiedenen geschmacklichen Varianten ermöglicht. Ist uns das bewusst, wenn wir in der Überzahl Angst und Ablehnung vor gentechnisch veränderten Pflanzen empfinden? Natürlich ist eine ungespritze und unbehandelte Frucht der gesunde Gegensatz zu der chemischen "Sauberkeit", aber dennoch haben wir unsere Finger seit vielen Jahrhunderten im Spiel. Und auch wenn uns über Werbung ein Gefühl von der Reinheit der Frucht und der Natur an sich vermittelt werde soll, gibt es sie schlicht nicht mehr. Jedenfalls nicht in unseren Gefilden. Und käuflich ist die Natur nur als Projektionsfläche und verzerrte Imagination von Reinheit und Gesundheit. Somit ist das folgende Bild ein passendes Symbol für die Kultivierung der Pflanzen und ihrer Früchte durch des Menschen Hand...

die Frucht in unsere Hand

Und gerade wegen diesem Hintergrund empfinde ich das Rot dieser Früchte als wichtiges exemplarisches Sinnbild. Trägt doch diese Farbe nicht nur das Begehren und die Liebe in sich, sondern ist auch ein Symbol für die tödliche Gier der Menschheit und deren vergossenes Blut. Ein süßer Saft, der nicht nur uns reizt, sondern auch etliche Vögel. Vögel, die aus unsere Perspektive die Bäume plündern, jedoch durch das Fressen der Früchte und das Ausscheiden der Kerne die Verbreitung und den Erhalt der Pflanze sichern...

ein Kirschbaum für die Drossel

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